Olympia | Leo Neugebauer: Podium statt Olymp
„Ich bin stolz auf dich“
(Diana Neugebauer, Leos Mutter, nach dem Zehnkampf)
Shooting Star, schwäbischer Himmelsstürmer – egal mit welchem Attribut man Leo Neugebauer versieht, im Stade de France und zuhause an den Fernsehgeräten hat der 24-Jährige die Sportfans begeistert und zwei Tage mitgerissen. Schon lange nicht mehr haben die Menschen an einem Leichtathletik-Ereignis so mitgefiebert wie jetzt in Paris. Man durfte bis zur achten Disziplin sogar auf den Olympiasieg hoffen, doch Neugebauers Schwächen im Speerwerfen und den abschließenden 1.500 Metern verhinderten den Sprung auf den sportlichen Olymp.
„Ich bin stolz auf mich, eine Silbermedaille bei Olympischen Spielen ist mir eine große Ehre“, stellte der Sunnyboy fest. Seine große Popularität war auch im Stade de France spürbar, als „Leo, Leo“, Sprechchöre skandiert wurden. 70.000 Fans hatten die beiden Tage des Zehnkampfs begleitet.
Am Ende fehlten Neugebauer 48 Punkte zu Gold, selten war eine Entscheidung bei Olympischen Spielen so eng wie die in Paris. Dennoch hatte er sich in die Herzen der deutschen Fans eingegraben. Rund 50 Fans aus Neugebauers Heimat Leinfelden und Stuttgart hatten ihren „Hero“ angefeuert. Nicht wenige deutsche Zuschauer hatten bis 1.500 Euro für zwei Tickets investiert...
Herausragend in Neugebauers Wettkampf waren die 7,98 Meter im Weitsprung, dafür ließ er im Kugelstoßen mit 16,55 Meter und fast einem Meter Rückstand gegenüber seiner Bestleistung (17,46 Meter) Federn. Nach den Ausfällen von Weltrekordler Kevin Mayer (Frankreich) und Pierce Lepage (Kanada) lichtete sich im Wettkampf das Feld mit den Ausfällen von Olympiasieger Damian Warner (Kanada) und dem Norweger Sander Skotheim beim Stabhochsprung weiter.
Und gerade beim Stab entpuppte sich der Norweger Markus Rooth mit einer Verbesserung seiner Bestleistung um sensationelle 20 Zentimeter auf 5,30 Meter als der große Widersacher des deutschen Hoffnungsträgers. Plötzlich war der Zehnkampf zu einem Krimi geworden. Rooth oder Neugebauer? Speerwerfen und die 1.500 Meter mussten die Entscheidung bringen. Fast 80.000 Zuschauer begleiteten das Finale im Flutlicht des Stade de France. Am Ende war Markus Rooth Dank sieben Bestleistungen zum „König der Athleten aufgestiegen. „In diesem Stadon, mit diesen Fans, mit dieser Atmosphäre, es ist unbeschreiblich hier so einen Zehnkampf abliefern zu können“, bilanzierte Neugebauer überglücklich in den Katakomben des Stade de France.
Neugebauers Aufstieg verlief in den letzten zwei Jahren geradezu kometenhaft. 2022 haben wir uns nach seinen 8.182 Punkten und Platz zehn bei der WM in Eugene kennengelernt, im gleißenden Licht der Flutlichtmasten des Hayward-Stadions. Kein Medienvertreter hatte sich damals für den jungen Deutschen interessiert. Seitdem sprintete, stieß, warf, katapultierte sich der „Junge von den Fildern“ kontinuierlich in die Weltspitze und war im Vorjahr bei der Wahl zum Sportler des Jahres in Baden-Baden als „Newcomer des Jahres" ausgezeichnet worden. Zwei deutsche Uralt-Rekorde von Jürgen Hingsen und Frank Busemann löschte Neugebauer aus und steht inzwischen an der Schwelle zu 9.000 Punkten.
Leo Neugebauer ist vor vier Jahren mit einem Stipendium nach Austin/Texas ausgezogen und hat dort mit idealen Bedingungen für Sport und Studium die Leichtathletik als Zehnkämpfer im Sturm erobert. In den USA berichtet inzwischen das Wall Street-Journal über ihn, hierzulande ist er als „Leo Quakgebauer“ Comicfigur. “Leo the German“, wird er über dem großen Teich genannt.
Sieben Wochen vor den Spielen in Paris sorgte er mit der Verbesserung seines Deutschen Rekords um 125 Punkte auf fantastische 8.961 Punkte für einen Paukenschlag. Jetzt hat er seine erste internationale Medaille gewonnen. Silber bei den Olympischen Spielen: großartig.
„Als Kind habe ich mir immer die Spiele im Fernsehen angeschaut, jetzt sind sie zu meinem Höhepunkt geworden“, stellte er schon vor Paris fest. Inwischen umgibt ihn ein Medienhype. Es dürften nicht seine letzten Olympischen Spiele sein. 2028 steht Los Angeles in seiner Wahlheimat USA an. Nach seinem Heimaturlaub in Leinfelden wird er im Herbst nach Austin Texas zurückkehren und dort als Profi weiter trainieren. Sein Wirtschaftswissenschaftsstudium hat er abgeschlossen.
Enttäuschend verlief der olympische Zehnkampf für Ex-Weltmeister Niklas Kaul (USC Mainz), der erst bei den letzten beiden Diziplinen in den Wettkampf fand. Als Bester im Speerwerfen (77,78 Meter) und über 1.500 Meter (4:15,00 Minuten) und Platz acht kämpfte sich der Ex-Weltmeister in die Weltspitze zurück. Mit 8.170 Punkten und Platz 15 lieferte der kurzfristig für den erkrankten Manuel Eitel eingesprungene Till Steinforth einen soliden Wettkampf ab.